Provinziale und ihre Kommunikation

DIE PROVINZIALE UND IHRE KOMMUNIKATIONEN

Oft werden wir gefragt, warum wir die Provinziale nicht mit prominenter Unterstützung bekannter machen. Der Grund ist einfach: Wir möchten die Dinge, die wir für wichtig halten,selbst geltend machen. Denn in unserem Filmfest geht es um Kommunikation und die Kommunikation verändert sich, wenn man Mittel der Prominenz, also des Marktes nutzt. Wir arbeiten für den Diskurs. Man kann sich etwas vom Erfolg anderer borgen und hoffen, dadurch bekannter zu werden, aber dann unterliegt das, was man tut und sagt, anderen Mechanismen. Und das möchten wir nicht.

Ähnlich verhält es sich mit der Politik. Es wird oft gesagt, die Kunst müsse politisch sein und richtig ist, dass wir uns für politische Fragen interessieren. Aber die Geltungskämpfe der Politik sind nicht unsere Sache. Deshalb sind wir bei öffentlichen Erklärungen, wie sie derzeit immer häufiger verfasst und unterzeichnet werden, zurückhaltend. Bei solchen Erklärungen haben meist schon andere darüber entschieden, wie etwas zu beurteilen ist. Wir möchten das aber lieber selbst im Gespräch mit anderen herausfinden und sehen in dieser Freiheit sogar einen gesellschaftlichen Auftrag für uns.

Wir meinen, dass aus dem, was wir tun und sagen, hinlänglich erkennbar wird, wofür wir stehen: für das Hinsehen und Zuhören, für Beschreibung und Analyse und für Empathie gegenüber menschlichen Schicksalen. Wir versuchen, ohne vorherige politische Festlegungen in unsere Kommunikationen einzutreten. Wir lernen mit jeder Programmzusammenstellung, mit der Auswahl unserer Gäste für Filmgespräche und in den Gesprächen selbst. Es kann vorkommen, dass wir im Nachhinein denken: Diese Wahl hätten wir anders treffen oder in jenem Gespräch hätten wir mit dem Publikum oder dem Gast auf dem Podium nach einem anderen gedanklichen Pfad suchen sollen. Aber in diesem Lernprozess schärfen wir unseren Sinn für menschliche Integrität.

Vor einigen Jahren zeigten wir eine Dokumentation über holländische Landwirte. Der Film warf viele Fragen auf, ohne die Wirklichkeit in Gut und Böse zu ordnen, wie es im Agrardiskurs oft geschieht. Uns hat das gefallen.Wir meinten, der Film könnte zum Beschreiben und Argumentieren einladen. Am anschließenden Filmgespräch mit der Regisseurin nahm auch ein Landwirt aus der Region teil, der seine Auseinandersetzungen mit der Naturschutzpolitik schilderte. Man musste nicht einer Meinung mit ihm sein, aber es war doch aufschlussreich, ihm zuzuhören.

In der Woche nach dem Filmgespräch wurde uns in einer Email vorgeworfen, mit dem Zeigen dieses Films und dem anschließenden Filmgespräch den Bemühungen um eine ökologische Wende in der Landwirtschaft in den Rücken zu fallen. In der gleichen Woche wurden dem Landwirt die Zäune seiner Mutterkuhhaltung zerschnitten. Er hat es seither nicht wieder gewagt, in dieser Weise öffentlich aufzutreten. Als wir ein Projekt für unsere „lange Nacht des Bauernfilms“ mit ihm machen wollten, lehnte er ab.

Das gibt uns natürlich zu denken. Denn nicht nur hinsichtlich der Popularität, der Politik und der Ökologie, auch im Kontext des Genderdiskurses geraten wir zunehmend unter Bekenntnisdruck. Aber das Bekenntnis ist nicht unser Geschäft. Unsere Sache ist das Fragen und Zuhören.

Wir sind ein kleines Filmfest, das bisher eine ungehinderte Entwicklung nehmen konnte, die wir als Investition in eine freie Stadtgesellschaft und in eine selbstbewusste Region verstehen. Wir machen nicht alles richtig, aber wir machen alles selbst und laden ein möglichst vielfältiges Publikum ein, den dabei zu erschließenden Reichtum mit uns zu bergen. Unsere Wettbewerbe werden von zwölf Menschen zusammengestellt. Alle moderieren, alle treten öffentlich auf, alle vertrauen darauf, dass das Interesse an unseren Filmen und Gästen letztlich tragen wird;dass niemandem damit geschadet wird und dass man sich auch selbst nicht damit schaden wird. Das macht uns große Freude und wir meinen, dass die Provinziale mit diesem beharrlichen Investieren in den Diskurs etwas Besonderes ist.

Programmbeirat der Provinziale

Almut Undisz, Katja Ziebarth, Kenneth Anders, Lars Fischer, Nele Fischer, Sascha Leeske, Steffen Neumann, Sven Wallrath, Thomas Winkelkotte, Tim Altrichter, Tobias Hartmann, Udo Muszynsk