JUBILÄUMSPOST

Vivian Zippel und Andreas Gläßer

01 Vivien und Andreas

FILMKULTUR AM FINOWKANAL

Vivien Zippel und Andreas Gläßer gründeten das Eberswalder Filmfest

2002 beendeten wir unser achtjähriges Arbeits- und Kulturexil in Berlin und zogen in den Eberswalder Raum zurück. Wir hatten in dieser Zeit viele interessante Erfahrungen und Kontakte in die Film- und Fernsehwelt gesammelt. Aber mit unserer damals neugeborenen Tochter Aurelie wollten wir lieber raus aus der großen Stadt.
Bis auf wenige Ausnahmen lag die Eberswalder Kulturlandschaft Anfang der 2000er Jahre in einem sanften Schlummer. Udo Muszynski war es, der mit Jazz in E. und anderen Veranstaltungsformaten, als Pionier neue Orte in Eberswalde erschloss, zum Beispiel die alten Passage-Lichtspiele in der Eisenbahnstraße und die noch ältere St. Georgskapelle.
Bis es zum ersten Festival kam, gab es viel Bewegung. Wir lernten Sascha kennen (!) und er warf sich ab diesem Zeitpunkt mit uns zusammen in das Vorhaben. Unser halber damaliger Freundeskreis kam dazu. Neue Kontakte wurden geknüpft, zahlreiche Hindernisse mussten überwunden werden. Selbst das Andreas als Mitverantwortlicher dann kurz vor dem eigentlichen Festival für eine Dokumentarfilmproduktion nach Sibirien reisen musste und darum bei der ersten Festivalausgabe gar nicht dabei sein konnte, wurde vom Team aufgefangen.
Wirklich bemerkenswert in dieser Frühphase des Festivals war der offensichtliche, kulturelle Aufbruchsgeist in Eberswalde. Viele Menschen waren sich der Defizite in der Landschaft bewusst und waren nur allzu gerne bereit, zu unterstützen. Diese Geburtsstunde hat insofern unter einem sehr guten Stern gestanden. Es gab ausreichend Mut und auch Naivität, so ein Projekt anzupacken. Aber es gab eben auch zahlreiche Freunde und Bekannte, die sich nicht zu schade waren, in ihrer Freizeit auf ein Ereignis hinzuarbeiten, von dem niemand wusste, ob es funktionieren wird. Pioniergeist könnte man das vielleicht nennen. Und den gab es zu dieser Zeit. Ganz unaufgeregt wurde mit Spaß ein gemeinsames Ziel verfolgt.
Der zweite wichtige Schritt für das Filmfest Eberswalde wurde gegangen, als nach einigen Ausgaben die Euphorie des Anfangs etwas verblasst war. Wir fragten uns, wie das Festival in die Zukunft geführt werden konnte. Die Idee der Provinziale und der Festivalclub wurden geboren, wieder kamen neue Leute in die Festivalgemeinschaft und das Filmfest begann in den Folgejahren ein Profil zu entwickeln, dass über die regionalen Grenzen hinaus strahlte. Auch Provinz ist international.
Obwohl die Provinziale nun schon seit Jahren als sogenannter Leuchtturm der Eberswalder Kulturlandschaft bezeichnet wird, ist sie doch immer auch ein Gruppenprojekt geblieben. Spätestens zum Beginn der Filmsichtungsphase rücken die Akteure langsam wieder zusammen und werkeln am Programm. Denn eine Idee zu haben, ist das eine, doch für ein solch umfangreiches Vorhaben braucht es unbedingt die Energie von vielen. Dass das funktioniert hat, macht uns dankbar!

Andrea Stapel

02 Andrea

UNGEAHNTE TALENTE

Andrea Stapel ist als Gründungsmitglied bis heute an Kasse und Einlass tätig
Ich weiß noch genau, wir saßen bei Vivien und Andreas zu Hause, gemeinsam mit Freunden, und wurden gefragt, ob wir uns vorstellen könnten, ein Filmfest aus der Taufe zu heben und dann auch mitzuwirken. Ein Filmfest in Eberswalde? Das konnte ich mir gar nicht vorstellen, habe jedoch sofort ja gesagt. Warum auch nicht, es war eine spannende Zeit mit Freunden, der zukünftigen „Filmfestfamilie“: ein Verein wurde gegründet, es gab kleine Filmkunstabende (in der damals noch offenen kleinen Georgskapelle), Sponsoren mussten gefunden werden, Werbung beim Brandenburg-Tag in Eberswalde …
Die schönste Aufgabe für mich war das Gestalten des Passage-Kinos. Jeder einzelne Stuhl wurde von Hand gereinigt, der Vorraum wurde gemalert, der riesengroße Samtvorhang der Leinwand musste gewaschen werden, Möbel wurden teilweise vom Sperrmüll gefunden und aufgemöbelt und es wurde gebastelt. Torsten und Steffi bedruckten massenweise Stoff, der dafür benötigte Stempel wurde natürlich auch selbst hergestellt. Ach, mir fällt immer mehr ein:
Die Film-Preise wurden von uns im Kopf geboren und dann produziert, den Piggy-Nachwuchsfilmpreis aus Plexiglas mit glänzenden Silberschrauben und einem „Filmstreifen“ innen, die Hauptpreise „das e“ aus Edelstahl der Firma Glawion und einem Sockel aus Marmor der Firma Steinmetz Thieme, hunderte Plakate wurden in der Stadt verteilt und ein Bus der BBG, komplett beklebt, fuhr Werbung für das bevorstehende Filmfest.
Meine Aufgabe war u. a. das Filmfest-Café – natürlich nicht allein. Ungeahnte Talente entdeckte ich, oder andere entdeckten sie bei mir: Deko (gefühlt mein halber Wohnungskram) und liebevolles Mixen, u.a. Kiba und die heiße Schokolade, mit viiiiel Sahne und Kakao verziert. Ich mochte als Kind Puppenstube spielen, dies konnte ich damals im Café mit meiner großen Phantasie wieder voll ausüben.
Übrigens: Damals wurden noch alle Filmbeiträge in VHS-Kassetten oder gebrannten CD’s eingereicht, digital war Zukunft …
Sascha wurde „eingekauft“ mit seinem Rent a Kino und einem sauschweren Filmabspiel-Monstrum.
Das erste Filmfest war ein Erfolg! Wir durften also weitermachen. Diesmal jedoch im Haus Schwärzetal (das Passage-Kino wurde leider baupolizeilich gesperrt).
Ich hätte nicht gedacht, dass es das Filmfest nach 20 Jahren noch geben wird …
Zum Glück Ja!, es gibt es noch, seit ein paar Jahren mit neuem Namen: die Provinziale und mich gibt es auch noch, immer noch aktiv als Provinzialistin dabei.
Ach Mensch, ich habe noch soooo viele wunderbare Erinnerungen, sprecht mich an, ich erzähle sie gern, ihr findet mich meist am Einlass bei Ticketverkauf …

Torsten Stapel

Torsten

ALLER ANFANG

Torsten Stapel ist Festivalfotograf und dokumentiert das Filmfest seit seinem Beginn

Wie es genau war, weiß ich gar nicht mehr. Überhaupt bestehen meine Erinnerungen aus Fetzen, oder Bruchstücken. Am ehesten hab ich mir wohl das gemerkt, was für mich irgendwie relevant war und was mich letzten Endes auch geprägt hat.

Wir haben gespielt am Anfang. Etwa wie man als Kind Bude bauen spielt. Ringsrum im Raum, meist bei Schlechtwetter, wenn man nicht nach draußen kann, werden allerlei Utensilien gesammelt, um den Wohnzimmertisch zu verwandeln. Es kommen Decken, Zudecken, Kissen, große Pullover, Kuscheltiere und bestenfalls weitere Mitmacher zum Einsatz. Man bewegt sich auf allen vieren, kriechend durch das Wohnzimmer. Das alleine schon, fand ich immer großartig, besonders wenn sich die Erwachsenen darauf eingelassen haben. In Nullkommanichts entsteht so, heute wissen wir es, ein neuer Raum.
Und so war das auch mit dem Beginn des Filmfestes. Unter meinen weiteren Erinnerungen findet sich diese: Wir waren überzeugt, dass wir unbedingt am Einlass einen roten Teppich brauchen. Wer hatte damals sowas? Wen konnten wir fragen? Irgendwer wusste, dass es im Porsche-Autohaus ein Exemplar gibt. Ja, Eberswalde hatte ein Porsche-Autohaus. Und den roten Teppich haben die uns für das erste Filmfest geborgt. Katrin und ich haben das Ding da abgeholt. Genau wie die vom Autohaus haben uns damals etliche Unternehmen in Eberswalde unterstützt, nach Kräften. Ich hab die Sponsorenliste mit Permanentmarker auf die hinterleuchtete Außenwerbetafel des vormals nebenan befindlichen Spielzeugladens geschrieben.

Irgendwer brachte eine lange schwarze Stoffbahn. Da hätte man sicher einige Hosen draus nähen können. Aber Stefi und ich haben Stencils gebastelt und auf die Weise den Stoff mit unserem damaligen Logo bemalt. Das Ding hing dann als Quasi-Filmstreifen unterhalb der Bühne. Genau wie Piggy, das dicke Schweinchen-Logo für den Nachwuchswettbewerb, später mehrfarbig im Eingangs-Café stand. Ich kannte Stefi bis dahin nicht. So kamen wir hier zusammen. Die meisten. Und dann bringt man noch wen mit. Zack, fertig.

Und jetzt wieder philosophisch: wir betreten diesen Raum. Zunächst jeder in seiner eigenen Blase, treffenderweise hatte sich die Band am Eröffnungsabend in so einer Art „Kraftwerk“-Optik hingestellt. Wir gestalten den Raum, innen und außen und ringsherum. Temporär ist nur das sichtbare Festival. Es existiert aber darüber hinaus und inzwischen schon zwanzig Jahre. Vorbereitungen, Nachbereitungen, Klausurtagungen, Einreichungen der Filmemacher, Korrespondenz, Besprechungsrunden. Und alle, die die PROVINZIALE inzwischen kennen, freuen sich auf diese Kultur-Woche im Herbst und in Eberswalde, behaupte ich.

Auf- und Abbau. Hin- und wieder sehe ich jemand auf allen vieren am Boden kriechen. Das Bild verknüpft sich, oder ist schon längst, mit meiner Kindheitserinnerung. Dann lächelt was, unsichtbar und dennoch zu bemerken.

Sven Wallrath

Sven Wallrath

MOMENTE WIE PERLEN

Sven Wallrath ist von Anfang an im Programmbeirat tätig

Irgendwann vor 20 Jahren……Auf dem Weg zu Bäcker Wiese, auf Höhe des noch nicht existierenden Eisladens, kam mir Lars, gut gelaunt, mit einem etwas größerem Stoffbeutel entgegen. Auf die Frage, was er denn mit denen aus dem Stoffbeutel herausschauenden Videokassetten vorhabe, kam die Antwort “Die ersten Filme sichten für das neue Filmfest… magst Du mitschauen?”.

“Mmmmh… ja.” Somit war die Beiratstätigkeit ohne Antragsformalitäten einstimmig beschlossen und ich ab diesem Moment Mitglied im Programmbeirat.

Im Laufe der nun folgenden 20 Jahre gab es sicherlich auch flüchtige Momente, die ich heute vergessen habe. Es tummeln sich aber auch noch einige schöne Perlen in den Windungen. Die nachfolgenden drei Filme gehören dazu:

Einer der berührendsten Momente war für mich das im Rahmen der Abmoderation zum Film „Bertsolari“ stattfindende Interview mit einer Bertsolari (baskische Sprachpoetin, die auf der Bühne reimt, singt und improvisiert). Nach unserem Filmgespräch stimmte ich mich mit Sascha durch ein kurzes Kopfnicken ab, nun die Bühne freizugeben. Anschließend füllte diese kleine Frau den Saal des Paul-Wunderlich-Hauses mit dem Vortrag eines wunderschönen Bertso. Wie sie dort so allein auf der Filmfestbühne stand und ihre Verse mit einer Wucht und doch wiederum so behutsam vortrug – so schön! Auch, wenn man kein einziges Wort verstand….

Dann bleibt natürlich „Ala Vita“ in Erinnerung, ein Film über das kurzzeitige Auflebenlassen einer traditionellen Arbeitsweise der Holzfäller durch die heutige Generation. Auf einer eigens gefertigten Holzbahn rutschen die Bäume vom Berg ins Tal . Mit dem Warnruf “Ala Vita” wurde das Signal für alle weiter unten stehenden Personen gesetzt, dass nun ein Stamm gen Tal kommen würde. Baum für Baum ein Ruf, und es waren viele Bäume in diesen Film! Als die Crew des Films auf der Bühne stand und die letzten Takte des Bühnengespräches gesprochen waren, wurde das Publikum aufgefordert, ein einmaliges „Ala Vita!“ in die Rundungen des Paul-Wunderlich-Hause zu rufen. Dieser chorale Ausruf: Herrlich!

Und dann war da noch dieser wunderbare, von Schönheit triefende baskische Film „Oskara“. Ein Film über die Aufrechterhaltung der baskischen Kultur, festgehalten in einer Aneinanderreihung eindrucksvoller Bilder, mit einer atemberaubenden Schlusssequenz zum Titel „So It Goes“ von Greg Haines.

Wenn jetzt das gesamte Team an einem großen Tisch sitzen und alle Jahrgänge der bislang erschienenen Festivalkataloge durchblättern würde, dann wäre wohl der am häufigsten gesprochene Satz: „Ach ja, kannste Dich an den noch erinnern?“

Sascha Leeske

Sascha

FILMFEST EBERSWALDE, FAST MEIN HALBES LEBEN LANG

Sascha Leeske ist Organisationsleiter der Provinziale und (neben vielen anderen Rollen) Mitglied im Programmbeirat für Kurzspielfilme

Seit 14 Jahren trägt das Filmfest Eberswalde den Namen PROVINZIALE. Im Jahr 2009 haben wir uns entschlossen, einen stetigen Blick in die Lebensräume der Menschen aus der ganzen Welt zu wagen. Am Anfang wusste ich überhaupt nicht, was das bedeutet. Landschaft, Raum oder Heimat waren für mich Begriffe, die ich in meinem Leben benutze und auch verstand. Doch inwiefern diese Dinge mit meinen Entscheidungen und meinen Lebenshöhepunkten und Tiefpunkten zusammenhingen, war für mich kaum erkennbar.

Als ich 2004 zu den Aktivistinnen und Aktivisten des Vereins SEHquenz stieß, war das neu und aufregend für mich. Ich kannte bis dahin nur das Kino Movie Magic, in dem ich auch gearbeitet hatte. Oder ich wurde mal von einer Freundin zu einer ganz „seltsamen“ Veranstaltung namens „Jazz in e“ ins Passage-Kino mitgenommen. Ich lernte damals Vivien und Andreas kennen, die mich mit ihrer Offenheit und Sympathie verzauberten. Ich lernte Udo kennen, der damals so geheimnisvoll auf mich wirkte, und ich wusste noch nicht, wie wichtig diese Beziehung für mein späteres Leben sein würde. Ich spielte das erste Mal Theater in der Gruppe „Textnot“ im Schlosspark Altranft, und ich fing an, Filme an verschiedenen Orten vorzuführen. Es war die Zeit, in der sich mein Blick auf die Kultur in Eberswalde veränderte – es war wie ein kulturelles Coming-Out.

Wenn ich mir die Bilder vom 1. Filmfest Eberswalde mit dem Motto „Der private Blick“ anschaue, überkommt mich eine Ehrfurcht. Wir standen ganz am Anfang und wurden von einer Welle aus Harmonie und Gemeinschaft getragen. Ich war von Anfang an dabei, und seitdem brenne ich für das Festival. Mein Leben, mein Jahresrhythmus wurde und wird vom diesem Filmfest bestimmt. In den letzten Jahren war ich mir oft nicht sicher, ob dies ein Fluch oder ein Segen ist.

Beziehungen sind daran zerbrochen und neue Zuneigungen sind entstanden. Ich lernte meine Freundin bei der 9. PROVINZIALE kennen. Wir haben zwei Kinder, die mit dem Festival aufwachsen. Die Sympathie zu den Menschen, die das Festival begleiten, und gerade die Zuneigung zu jenen, die nicht mehr bei uns sein können, zeigen mir, dass es ein schönes Leben war und ist. Ein erfülltes Leben.
Mittlerweile verstehe ich, was es bedeutet, hier an diesem Ort zu leben, was für mich Provinz bedeutet. Welchen Einfluss die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen auf unser Festival, auf mein Leben haben. Die vergangenen 20 Jahre mit dem Filmfest, die unglaublich vielen gesichteten Filme und die Zusammenarbeit mit so vielen Menschen, all das hat mein Selbstverständnis von Gemeinschaft, Offenheit und Kontinuität geprägt und gefestigt. Dafür empfinde ich große Dankbarkeit.

Kenneth Anders

Kenneth

UNVERWECHSELBAR

Kenneth Anders ist Festivalleiter der Provinziale und Mitglied im Programmbeirat für den Wettbewerb der langen Dokumentarfilme

Das erste Eberswalder Filmfest erlebte ich im alten Passage-Kino als Moderator der einzelnen Wettbewerbsblöcke. Es fiel mir schwer, die Filme zu präsentieren, da ich sie nicht selbst ausgewählt und keine Beziehung zu dem Material hatte. Also war ich mit mir unzufrieden und zog mich erst einmal zurück. Erst drei, vier Jahre später stieß ich wieder zum Filmfest-Team. Es war Sascha Leeske, der mir diesen Weg öffnete, und neben ihm waren es Vivien Zippel und Andreas Gläser, die mir nach und nach Verantwortung übertrugen. Sie taten das mit Umsicht und Vertrauen, so dass ich in meine neue Rolle hineinwachsen konnte.

Eine Festival-Leitung fordert strategische Überlegungen und öffentliche Aussagen. Nicht immer habe ich dabei den Nagel auf den Kopf getroffen oder die richtigen Worte gefunden. Das Team hat mir dennoch immer geholfen, den nächsten Schritt zu gehen. So konnte nach und nach etwas Unverwechselbares entstehen: Ein Filmfestival mit Profil, mit einer echten Fragestellung: Wie bauen wir uns die Welt, den Raum – als Garten oder als Gefängnis? Dabei wuchs eine gewisse filmästhetische Kompetenz im gesamten Team, nicht nur bei zwei, drei Kuratoren. Wir verzichteten auf Prominenz als Währung für öffentliche Anerkennung. Durchgehend war die Orientierung auf Kommunikation, auf Begegnung und Verständigung. Und immer hatten wir die Bereitschaft, alles infrage zu stellen, zu diskutieren und weiterzuentwickeln.

2021 war für mich das schwierigste Jahr als Filmfestleiter. Als Ausrichter einer Herbstveranstaltung mussten wir damit rechnen, unter Regularien der Corona-Politik zu fallen, die den freien Zugang zu den Vorführungen stark einschränken würden. Da ich ein tief verwurzeltes Verständnis von dem habe, was eine öffentliche Veranstaltung ausmacht, geriet ich in arge Not. Öffentlichkeit, das ist in meinen Augen die Essenz der Demokratie. Sie besteht nur dadurch, dass alle an ihr teilnehmen können. Nicht nur, weil alle die öffentliche Kultur durch ihre Steuergelder ermöglichen – auch, weil sie für alle gedacht ist. Welche Praxis könnte ich hier verantworten?

Wie überall, so beurteilten auch die Mitstreiter im Filmfest-Team die gesellschaftliche Situation damals unterschiedlich. Wir mussten also eine Lösung finden, mit der alle leben konnten. Also gingen wir nach draußen, in den Innenhof des Hauses Schwärzetal, und feierten das Filmfest mit freiem Zugang, dafür aber im kalten Oktobernebel. Nicht allen hat das gefallen, manche sind auch gar nicht erst gekommen. Aber für uns, die die Provinziale durch Engagement und Zusammenhalt trugen, war es wohl das Richtige. Über Differenzen hinweg sind wir miteinander in Beziehung geblieben.
Seither haben wir uns organisatorisch weiterentwickelt. Alle, die am Filmfest mitwirken, können Vereinsmitglieder sein und auch die Festivalleitung wählen. Die einzelnen Rollen sind besser beschrieben und begriffen und können also auch besser an Nachfolgende weitergegeben werden. Die Reise kann weitergehen.
Ich danke allen, die uns bis hierher begleitet und unterstützt haben, von Herzen.

Udo Muszynski

Udo Muszynski

FESTIVAL-GESETZMÄßIGKEITEN

Udo Muszynski veranstaltete von 2008 bis 2019 den Festivalclub der Provinziale und war Mitglied im Programmbeirat für den Wettbewerb der langen Dokumentarfilme

Im Sommer 2004 kamen Vivien Zippel und Andreas Gläßer nebst kleiner Tochter Aurelie zu mir nach Haus und berichteten von ihrem Vorhaben, in Eberswalde ein Filmfest aus der Taufe zu heben. Dabei ging es ihnen wohl auch um den ein- oder anderen Ratschlag, schließlich hatte ich mit dem 1995 gegründeten Festival „Jazz in E.“ knapp zehn Jahre Vorsprung.

Das Anfang des vorigen Jahrhunderts erbaute Filmtheater „Passage – Lichtspiele“, war als Spielort der Festivalpremiere auserkoren. Seit Mitte der neunziger Jahre stand das traditionsreiche Gebäude in der Eberswalder Eisenbahnstraße 83 leer, im Rahmen einer vierteiligen Konzertserie „Eberswalder Stadtbespielung“ hatten wir „Jazzer“ bereits im November 2001 mit einem Konzert der australischen Kultband The Necks einen ersten Wiederbelebungsversuch gestartet. Vom Erfolg ermutigt, fanden die Jazz in E. Festivaljahrgänge 2002 und 2003 hier ihre Heimstatt, 2004 wurde uns aber kurz vor Festivalstart die Austragung von Konzerten im Passage Kino vom städtischen Bauordnungsamt verboten. Für das erste Filmfest im Herbst 2004 gab es noch einmal eine Ausnahmegenehmigung, aber dieses besondere Kino Fest setzte, wie wir nun heute wohl endgültig wissen, den Schlußpunkt in der knapp einhundertjährigen Geschichte des Kulturstandortes. Im Rückblick scheint mir eine Ahnung von der Einmaligkeit dieses Ereignisses bereits gewirkt zu haben, alles fühlte sich leicht und wie ein Spiel an. War es ein Traum?

Zwischen den beiden Eberswalder Festivals entdecke ich Gemeinsamkeiten, sind es gar ungeschriebene Gesetze?

1. Die Jahrgänge zwei und drei waren jeweils die schwierigsten und wohl am schlechtesten besuchten Festivals. Merken: Dranbleiben. Nach der Euphorie des Auftakts schließen sich die Mühen der Ebenen an.

2. Bei Jazz in E. mündete die Suche der inhaltlichen Ausrichtung in konkreten Jahresthemen, das Filmfest Eberswalde wurde zur PROVINZIALE. Diese Fokussierung ist eine wichtige Hilfe, um im Meer der Eindrücke und Informationen, Konzentration zu erlangen. Es wächst eine besondere und in Gemeinschaft erlebte Perspektive auf das, was wir Hören, Sehen und Erfahren. Merken: Auch etwas weglassen können.

3. Neben den gesetzten künstlerischen Impulsen wollten die Festivals von Anbeginn auch Treffpunkt sein. Was wurde nicht alles probiert, insbesondere Aftershow, manches hat gezündet, anderes weniger. Merken: Türen aufmachen und empfangsbereit sein!

Steffen Neumann

Steffen

DIE ZEIT VERGEHT NICHT SCHNELLER...

Die Zeit vergeht nicht schneller als früher, aber wir laufen eiliger an ihr vorbei. (George Orwell)

Steffen Neumann startete mit verschiedensten Diensten (unter anderem beim Einlass und beim Staubsaugen) und arbeitete schließlich im Programmbeirat für den Wettbewerb des Animationsfilms

Als ich im Jahre 2002 meinen Heimatort verließ, gab es das Filmfest in Eberswalde noch gar nicht. Die spannenden Pionierzeiten habe ich nicht miterlebt. Als im Jahre 2009 das 6. Filmfest sein zweites Jahr im Paul-Wunderlich-Haus erlebte, wollte ich mir das auch mal ansehen und beschloss, mir eine Woche Kultur zu gönnen. Irgendwie bin ich aber sofort ins Team integriert worden. Ich versuchte mich damals an allen Ecken nützlich zu machen. Das hat so viel Spaß gemacht, ja, auch das Staubsaugen, dass ich auch in den folgenden Jahren immer wieder kam. Der entscheidende Grund dafür war das Team, ein Einklang aus Professionalität, Leidenschaft und Entspanntheit.

Ab 2013 übernahm ich dann als Mitglied des Animationsbeirates sogar Verantwortung für die Programmgestaltung. Ich fand die Möglichkeiten des Animationsfilmes immer sehr spannend. Und in den 8 Jahren Programmarbeit konnte man viele faszinierende, verrückte Ideen sehen. Auch die rasante technische Entwicklung, selbst in einem doch relativ überschaubaren Zeitraum, war beeindruckend.

Toll war auch die Zusammenarbeit mit meinen beiden Mitstreiterinnen Nele Fischer und Almut Undisz. Danke Mädels, das hat echt Spaß gemacht mit Euch! Was haben wir für grandiose Filme auf der großen Leinwand zeigen dürfen. Angefangen 2013 mit THIS LAND IS MINE von Nina Paley und OH SHEEP von Gottfried Mentor, über den serbischen RABBITLAND, eine Art 1984 mit rosa Kaninchen, KLEMENTHRO auf seinem Floß, AFTER ALL, HIGH WOOL, A SINGLE LIFE und so viele Perlen bis hin zum völlig abgedrehten RERUNS, an den sich wahrscheinlich nur wenige erinnern.

Zeiten ändern sich. Meine ehrenamtliche Tätigkeit als Jugendtrainer in meiner Wahlheimat nahm mittlerweile immer mehr Zeit in Anspruch. Und zwei Sachen halbherzig machen, erschien mir noch nie richtig. Inzwischen bin ich kein Teil der Provinziale mehr, verfolge die Entwicklung aber weiterhin und bin zumindest in Gedanken und im Herzen immer noch dabei! Schön, dass Ihr ein neues zu Hause gefunden habt und auch die schwierigen letzten Jahre so tapfer überstanden habt! Meine Hochachtung! Und ich drück die Daumen für die nächsten 20 Jahre!

Julia Heilmann

Julia

EIN SOZIALES NETZ

Julia Heilmann war ehrenamtlich und später professionell für die Organisationsleitung des Festivals tätig

Die PROVINZIALE hatte einen wichtigen Einfluss auf mein Leben. Die Filme, das Programm des Festivalclubs, das Tor zur Provinz, das Heimatfenster und die Filmgespräche des Eberswalder Filmfests waren mir immer Anregung und Inspiration. Vor allem aber prägten und beeindruckten mich die Begegnungen mit den Menschen aus dem Festivalteam.

Mit meinem damaligen Partner Tim Altrichter wurde ich vor gut zehn Jahren – noch während meiner Studienzeit – Teil der ehrenamtlichen „Provinzialistinnen und Provinzialisten“ und verkaufte zunächst Eintrittskarten. Es war Sascha Leeskes zugewandte, wertschätzende und offene Art, die mich sofort willkommen fühlen ließ und die mir Sicherheit gab. Die herzlichen und schon erfahrenen Frauen am Kassentresen nahmen mich ganz selbstverständlich und auf Augenhöhe mit. So lernte ich nach und nach das gesamte Team kennen und schätzen. Zunächst arbeitete ich an der Kasse und am Einlass, später an der Publikums- und Gästeinformation. Für mehrere Festivalausgaben war ich als Mitarbeiterin der Organisationsleitung intensiv an vielen Prozessen vor und während der PROVINZIALE beteiligt und häufig eine Schnittstelle zwischen den vielen unterschiedlichen “Gewerken“ des Filmfestes.

Schon zu Beginn meiner Arbeit bei der PROVINZIALE war mir deren damaliger Programmbeirat und Festivalclubbetreiber Udo Muszynski bekannt, dessen Veranstaltungsagentur unter anderem die Kulturreihe Guten Morgen Eberswalde sowie das Programm der Festivals Jazz in E. und PurPur verantwortet. Ich fand Freude daran, auch diese Formate in Eberswalde zu unterstützen und mitzugestalten. Nach einigen Jahren ehrenamtlicher und freiberuflicher Festivalarbeit begann ich 2019 hauptberuflich eine Anstellung in der Agentur von Udo Muszynski. Der PROVINZIALE blieb ich auch in den folgenden, durch Umbrüche geprägten und somit herausfordernden Zeiten verbunden.

Inzwischen habe ich meinen Fokus umgestellt und Prioritäten verschoben, woraufhin ganz neue Entwicklungen in meinem Leben anstehen. Durch die PROVINZIALE ist für mich jedoch ein soziales Netz entstanden, dass trotz aller Veränderungen bis heute trägt. Jedes Jahr aufs Neue erfreut mich dieses über Jahre gewachsene und dabei stets offene Festivalteam; die Geschäftigkeit, Detailliebe und Hingabe aller Beteiligten. Ich bin dankbar für all das Vertrauen, die Begegnungen und Erfahrungen.

Juliane Seeliger-Ahlhelm

Juliane Seeliger Ahlhelm

WAS IST ES BLOß?

Juliane Seeliger-Ahlhelm begann ihre Filmfest-Laufbahn als Besucherin

Es gibt seit 20 Jahren eine Woche im Herbst, in der sich in Eberswalde alles um die Provinz dreht.

Lange Zeit habe ich in Berlin gelebt, diesen Großstadttrubel genutzt und genossen. Kam ich doch aus einer Kleinstadt im Spreewald. Und wie viele junge Menschen in solchen Städten fühlte ich mich eingeengt und deplatziert.

Und dann kam Berlin mit seinen Kinos, Museen, Kneipen… Was für ein Leben!

Und dann kamen die Kinder, Familienleben statt Kneipenabende.
Aus dem Großstadtleben wurde ein Leben auf dem Dorf – raus in die Provinz.

Das erste Filmfestival erlebte ich 2005 im Haus Schwärzetal. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartet, kannte mich in der Kinolandschaft nicht aus und ahnte nicht, was für Filme mir geboten werden.

Und ich war komplett überfordert.
Okay, es waren gar keine Kinofilme. Es ging nicht um die großen Leinwandstars.

Ich erinnere mich an verrückte kurze Filme, manche in fremder Sprache, mit Geschichten, die mich ratlos machten.

In den folgenden Jahren schaute ich immer wieder rein ins Filmfestival. Anfangs etwas verstohlen, etwas fremd. Es ergaben sich Gespräche und Bekanntschaften, ich lernte Filmfest-Aktivisten kennen und war fasziniert von deren Engagement, Visionen und Offenheit.

Aus den unregelmäßigen Besuchen wurde die feste Verabredung – diese Woche im Herbst gehört in meinen Kalender.

Und dann kam der Entschluss mitmachen zu wollen. Nicht nur Filme schauen, ich wollte dabei sein, hören, sehen, denken. Mit den Menschen, die das Filmfestival zu dem machen, was es für mich ist – ein Ort für Austausch, übern Tellerrand schauen, Toleranz und Vertrauen.

Ich lernte, dieses Filmfestival zeigt mir Orte, Menschen, Räume, die nicht nur aus Gedanken und Träumen gemacht sind. Ich schaue in Lebenswelten, erfahre von Ereignissen, die manchmal ganz klein sind und doch von unendlicher Tragweite. Und ich lernte, und lern es noch immer, das Leben in der Provinz hat nichts Provinzielles.

Ich kann dir sagen, was es für mich ist: es ist die Auseinandersetzung mit dem eigenen Lebensraum, mit dem Respekt vor dem Tun anderer, mit dem Wissen darum, dass es trotz Meinungsverschiedenheiten eine Basis für Verständigung gibt.
Es ist ein Fest für Geist und Seele!

Sven Ahlhelm

Sven Ahlhelm

VON DER TÜR ZUM TOR

Sven Ahlhelm stand schon am Einlass und arbeitet heute im Programmbeirat für den Wettbewerb im kurzen Dokumentarfilm. Ein Höhepunkt war sicher die künstlerische Gestaltung des Tores zur Provinz.

Mein erster Besuch eines Filmfestes in Eberswalde liegt lange zurück. Ich glaube es war 2005 im Haus Schwärzetal. Einige Jahre später stand ich an der Tür zum Kinosaal und kontrollierte Eintrittskarten, half beim Auf- und Abbau des Festivalclubs. 2016 wurde ich gefragt, ob ich Lust hätte, das Tor zur Provinz zu gestalten. Vor der Größe hatte ich mächtig Respekt. Aber reizvoll fand ich die Herausforderung schon. Ich hatte mir schon öfter Gedanken darüber gemacht, ob auf uns Menschen nicht auch eine andere Spezies schaut, uns belustigt oder fasziniert beobachtet, so wie wir mehr oder weniger respektvoll, beispielsweise Insekten oder Vögel bestaunen, bei ihrer Art, ihr Leben zu führen, sich zu bewegen, Nester zu bauen oder Futter zu suchen. So gestaltete ich Figuren von mehr als 6 Metern Höhe, die die Besucher des Filmfestivals beim Eintritt in die Provinziale interessiert beäugten.

Inzwischen war ich auch zweimal an der Auswahl der kurzen Dokumentarfilme beteiligt – und ich komme mir immer wieder vor wie ein Vertreter einer fremden Art, der aus sicherer Entfernung unbekannte Lebenswelten betrachtet. Eine Mischung aus Reise-Ersatz und Voyeurismus, aber auch aus tiefem Interesse und aus dem Bewusstsein heraus, mir die Welt auf diesem Weg ein bisschen vertrauter zu machen.

Ein Satz aus Antoine de Saint-Exupéry´s „Der kleine Prinz“ erschreckt mich dabei manchmal, oder macht mich verlegen.
„Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“

Florian Heilmann

Julia Heilmann

EIN TRAUM VON HOLLYWOOD IN EBERSWALDE

Florian Heilmann erhielt einst den Nachwuchsfilmpreis „Piggy“

„Piggy“ erfreut junge Regisseure, hieß es in der Wochenendausgabe der „Märkischen Oderzeitung“ (MOZ) vom 7. und 8. Oktober 2006. Weiterhin war in dem Artikel unter anderem von „Nachwuchs-Filmpreis in drei Kategorien auf Eberswalder Filmfest verliehen“ und „Beiträge nie zuvor so anspruchsvoll“ die Rede. Einer jener prämierten „jungen Hobbyfilmer“ von damals war ich. Für meinen, ich nenne es mal vorsichtig „avantgardistischen“ Kurzfilm „In jedem Herz sind Steine“ (nicht Herzen!) wurde mir jener „schweinisch-kultige“ Nachwuchs-Filmpreis in der Kategorie „Beste Kamera“ verliehen. Der Film, welchen anzusehen ich heute vor Scham nicht mehr ertragen kann, beruht lose auf dem gleichnamigen Gedicht von Enfant terrible Klaus Kinski, veröffentlicht in seinem Lyrikband „Fieber – Tagebuch eines Aussätzigen“. So war es auch der distinguierte Außenseiter in mir, welcher sich an jenem schönen Abend nicht größer und bestätigter hätte fühlen können. Endlich war „mein Genie“ erkannt und gewürdigt worden. Den Verstand von jugendlicher Selbstüberschätzung und postromantischer Melancholie vernebelt, wähnte ich mich doch schon auf direktem Weg nach Hollywood. Tatsächlich war ich stark vom experimentellen US-amerikanischen, aber auch italienischen Genre-Kino der 1970er und 1980er Jahre beeinflusst, was man meinem “Kunstwerk“ in seiner naiven und willkürlichen Dramaturgie sowie seiner „Ästhetik des ambitionierten Dilettantismus“ durchaus anmerken kann. „Wir haben uns damals schon gedacht, der Junge hat Probleme“, wurde mir erst kürzlich von einem ehemaligen Jury-Mitglied zugeflüstert. Hollywood hat auch bis heute nicht angerufen, aber der „Piggy“ steht noch immer auf einem Ehrenplatz zwischen all den Werken der anderen berühmten Regisseurinnen und Regisseure in meiner opulenten Filmsammlung. Er wird wohl der einzige Filmpreis meiner Karriere als leidenschaftlicher Cineast bleiben. Die 200 Euro Preisgeld habe ich übrigens umgehend in eine erlesene Auswahl internationaler Zombie-Splatter-Filme sowie eine umfangreiche DVD-Edition zum Werk von Werner Herzog investiert.

Mittlerweile ist jenes denkwürdige 3. Eberswalder Filmfest schon einige Jahre her, ich bin älter geworden und das Festival hört bereits seit geraumer Zeit auf den Namen „Provinziale“. Der „Piggy“ wird nicht mehr verliehen, dafür hat man mich aber – trotz meiner zweifelhaften, künstlerischen Ergüsse vergangener Tage – ins Festival-Team aufgenommen. Die jährliche cineastische Verheißung, welche die „Provinziale“ aus meiner Sicht in Eberswalde etabliert hat, freut mich sehr und hat nichts von ihrer Faszination verloren.

Den MOZ-Artikel aus dem Jahr 2006 halte ich ebenfalls in Ehren, damit ich meinem Sohn irgendwann beweisen kann, dass sein Vater ausgezeichneter Filmemacher ist und der Durchbruch zur „Traumfabrik“ Hollywood für kurze Zeit zum Greifen nah erschien.

Kathrin Gollin

Kathrin Gollin

UND DANN MACHE ICH MIT

Kathrin Gollin nimmt Urlaub, um beim Filmfest mitarbeiten zu können
Es ist 2004. Wie sonderbar. Da hängen so Plakate in der Stadt. Es soll ein Filmfest geben. Bei uns? In Eberswalde? Im alten ‚Passage- Kino‘ soll das sein. Geht denn das da noch? Das ist doch schon lange zu! Mal gucken. Und dann… immer wieder… ich bin neugierig… im ‚Haus Schwärzetal‘. Und ZACK! 2007 in dem neuen Paul- Wunderlich- Haus. Nun möchte ich mir das ansehen- lasse mich auf einzelne Film- Blöcke ein. Hej! Ich kenne ja einige Menschen, die sich da engagieren. Und ich frage: ‚Was machst du da?‘; bin mächtig beeindruckt. So viel Organisation. Und so chic der Kino- Saal.

Wenn ich die Beiträge schaue, bin ich in anderen Regionen. So viele Länder. So viele bekannte Situationen am anderen Ende der Welt und auch unbekannte- hier, ganz nah.
Dann 2012. Es gibt einen Festival- Pass. Oh toll! Den hole ich mir. Ich rechne- aber bin schon lange drin. Im Sog des ‚alles- sehen- wollens‘. Ich lache, weine, bin voll von Skepsis, habe Gänsehaut, bin fassungslos, fürchte mich, liebe, überlege, bin wütend, bewundere… Alle Gefühle. Passieren. Der Kopf ist voll. Und das Herz.

Meine Arbeit ist schwer. Ich stehe früh auf. Die Abende sind lang. Mit den sich an die Filme schließenden Diskussionen und Gesprächen; mit dem Austausch mit den Menschen, die sich mühen und den anderen Schauenden. Auch im Festival- Club. Also nehme ich Urlaub! Dann kann ich das besser genießen.

Voller Spannung bin ich bei den Preisverleihungen und habe heimliche Favoritenlisten.
Beiträge aus den vergangenen Jahren spielen sich heute noch vor meinem inneren Auge ab. ‚Das Reh‘, ‚Kampf der Königinnen‘, ‚Fremd‘, ‚Germania Wurst‘, ‚ Eva‘, ‚The Barber Shop’…

Die Jahre vergehen. Die Gespräche werden intensiver. Freundschaften entstehen. ‚Ihr helft auch mit?‘. Ich schnuppere hinein. Wie gut die Gemeinschaft tut. Und dann- 2018 mache ich mit. Ich höre den Programmbeiräten zu. So kritisch suchen sie die Beiträge aus.
Ich freue mich, die Gäste als ‚unsere Gäste‘ zu sehen und habe Spaß an Gestaltung und Betreuung.

Es gab die Zeiten, in denen überlegt wurde, ob es eine Pause geben soll. Zu schwierig die Umstände. Und JA. Das ‚Außen‘ hat dann noch enger zusammengeführt. Und Wärme gegeben, als sie so nötig war.
Ich bin froh, dabei zu sein. Es geht weiter! Urlaub nehme ich noch immer. Probiert das mal! Kommt!
Wir sind bei Nr.20!